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Der ordnungspolitische Rahmen für Europas Weg in die Informationsgesellschaft*

Marcel Haag

I. Einleitung

Der Informations- und Kommunikationssektor der fortgeschrittenen Industriegesellschaften befindet sich gegenwärtig in einem tiefgreifenden Wandel. Auch wenn das volle Ausmaß dieser Änderungen und ihrer Auswirkungen derzeit nur in Konturen erkennbar ist, steht jedoch bereits heute fest, daß der Informationszugang und die Informationsverarbeitung in wichtigen Lebensbereichen stark an Bedeutung gewinnen wird. Die Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechniken und insbesondere die Konvergenz von Informationstechnologie, Telekommunikation und audiovisuellem Sektor stellt auch die Ordnungspolitik vor neue Aufgaben. Diese sind nicht zuletzt durch Probleme geprägt, die durch das Zusammentreffen eines bislang weitgehend unregulierten Sektors, der Informationstechnologie, mit zwei traditionell hochregulierten Sektoren, deren Regulierung überdies nach unterschiedlichen Grundsätzen erfolgt, entstehen.

Die Europäische Kommission hat den mit der Entwicklung der Informations- und Kommunikationsgesellschaft zusammenhängenden Fragen höchste Priorität eingeräumt. Bereits in ihrem Weißbuch zu "Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung"[1] vom Dezember 1993 erklärte die Kommission die Schaffung eines "Gemeinsamen Informationsraums" in der Europäischen Union und die Entwicklung der Informationsgesellschaft zu einem der vorrangigen Ziele ihrer Tätigkeit zur Wiederbelebung der europäischen Volkswirtschaften. Der auf der Grundlage von Überlegungen einer Gruppe hochrangiger europäischer Industrievertreter unter dem Vorsitz von Kommissar Bangemann erstellte Bericht vom 26. Mai 1994 [2] bestätigte die Dringlichkeit einer europäischen Initiative zur Informationsgesellschaft und sprach eine Reihe von Empfehlungen aus.

Im Juli 1994 legte die Kommission einen Aktionsplan für "Europas Weg in die Informationsgesellschaft" vor. Dieser enthält einen weitreichenden Katalog von Maßnahmen, mit denen die Herausforderungen der entstehenden Informationsgesellschaft in der Europäischen Union angenommen werden sollen.[3] Dabei liegt dem Aktionsplan kein geschlossener Entwurf einer neuen künftigen Gesellschaft zugrunde. Den Ausgangspunkt des Aktionsplans bildet vielmehr die Annahme, daß die sich im Informations- und Kommunikationssektor vollziehenden Entwicklungen wirtschaftliche, politische und soziale Chancen bieten, die nicht ungenutzt bleiben sollten.

Eine der zentralen Grundvoraussetzungen für die Entwicklung der Informationsgesellschaft ist die Schaffung elektronischer Superhighways, das heißt hochleistungsfähiger Kommunikationsverbindungen zur Übertragung von Daten, Sprache und Bildern. Im Mittelpunkt der Initiative der Kommission steht deshalb, ebenso wie bei den entsprechenden Initiativen von Industriestaaten außerhalb Europas, die ordnungspolitische Reform des Telekommunikationssektors mit dem Ziel einer umfassenden Liberalisierung, welche die privatwirtschaftliche Finanzierung der zur Entwicklung der Informationsgesellschaft benötigten leistungsfähigen Informationsinfrastrukturen ermöglicht.

II. Die Transformation des Telekommunikationssektors

Die Vorarbeiten der Kommission zu einer umfassenden Reform des ordnungspolitischen Rahmens für den Telekommunikationssektor sind mit der Vorlage des Grünbuchs über Telekommunikationsinfrastrukturen [4] und dem Bericht über die öffentliche Konsultation zu diesem Grünbuch am 3. Mai 1995 [5] weitgehend abgeschlossen. Mit diesen Vorarbeiten leitet die Kommission eine neue Phase ihrer Telekommunikationspolitik ein, in der sie das bisherige Liberalisierungsprogramm auf den Bereich der Telekommunikationsinfrastrukturen ausdehnt, um den Übergang in eine europäische Informations- und Kommunikationsgesellschaft zu erleichtern und zu beschleunigen.

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1. Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte

Die Weichen sind auf Gemeinschaftsebene inzwischen eindeutig zugunsten einer vollständigen Öffnung der Telekommunikationsmärkte in der Union gestellt. Eine wichtige Vorentscheidung für die volle Liberalisierung des Sektors hat der Rat der für Telekommunikation zuständigen Minister auf der Grundlage des von der Kommission durchgeführten "Review" [6] bereits vor zwei Jahren getroffen, als er sich auf die Aufhebung des Sprachmonopols in der Union bis spätestens zum 1. Januar 1998 - vorbehaltlich zusätzlicher Übergangsfristen für Mitgliedstaaten mit weniger ausgebauten oder sehr kleinen Netzen - einigte. In der Entschließung vom 22. Juli 1993 legte sich der Rat, den Vorschlägen der Kommission folgend, auf die vollständige Öffnung aller Telekommunikationsdienste für den Wettbewerb fest.[7] Inzwischen bereiten sich Wettbewerber in praktisch allen Mitgliedstaaten - nicht zuletzt auch hier in der Bundesrepublik - auf die Liberalisierung des Telefondienstes vor.

In der Ratsentschließung vom 22. Juli 1993 wurde auch die Überprüfung des letzten noch verbleibenden reservierten Bereichs in der Telekommunikation, d. h. die Netzmonopole, auf die Tagesordnung der Union gesetzt. Die kostengünstige Bereitstellung hochleistungsfähiger Infrastrukturen bildet eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung der Telekommunikations- und Informationsmärkte, da sie den Zugang zu den neuen Diensten und Anwendungen erst ermöglichen. In dieser Hinsicht ist die Situation nach den Feststellungen der Kommission in Europa, im Vergleich etwa mit den USA, noch unbefriedigend. In Europa bestehen nicht nur vielfach noch Engpässe bei der Bereitstellung von Hochgeschwindigkeitsmietleitungen, sondern auch Mietleitungstarife, die zum Teil um das Zehnfache über den vergleichbaren Tarifen in den USA liegen. Die Kommission geht davon aus, daß sich die Aufhebung der Übertragungswegemonopole in den Mitgliedstaaten auf zweifache Weise positiv auswirken wird: Zum einen wird sie private Investitionen ermöglichen, die angesichts der zum Ausbau von elektronischen Highways notwendigen Investitionsvolumen unverzichtbar sind. Zum anderen wird sie durch die Einführung von Wettbewerb zu stärker an den Kosten orientierten und damit deutlich niedrigeren Preisen für Infrastrukturen führen.[8]

Die Kommission hat deshalb im ersten Teil des Infrastruktur-Grünbuchs, der im Oktober 1994 vorgelegt wurde, die volle Öffnung der Telekommunikationsinfrastrukturen für den Wettbewerb parallel zur vollständigen Diensteliberalisierung bis zum 1. Januar 1998 vorgeschlagen. [9]

Auf seinem Treffen am 17. November vergangenen Jahres hat der Rat der Telekommunikationsminister diesem Vorschlag zugestimmt.[10] Das Zieldatum 1. Januar 1998 gilt damit sowohl für die Liberalisierung des Telefondienstes als auch für die Errichtung und den Betrieb von Telekommunikationsnetzen. Dabei finden die für einige Mitgliedstaaten beim Telefondienst gewährten Übergangsfristen auch auf die Netzliberalisierung Anwendung (Portugal, Griechenland, Spanien, Irland: 5 Jahre; Luxemburg: 2 Jahre). Nachdem Spanien angekündigt hat, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen zu wollen, dürften sich die anderen Mitgliedstaaten ebenfalls dazu entschließen, die zusätzliche Übergangsfrist nicht oder nicht vollständig in Anspruch zu nehmen, so daß im Ergebnis eine weitgehend zeitgleiche europaweite vollständige Öffnung der Telekommunikationsmärkte erreicht werden könnte.

Nachdem damit die politische Entscheidung für die Schaffung vollständig geöffneter Telekommunikationsmärkte bis 1998 getroffen ist, stellt sich für die zuständigen Gemeinschaftsinstanzen nunmehr die Frage nach der konkreten rechtlichen Ausformung dieser Entscheidung. Auf der Grundlage der Konsultation zum Infrastruktur-Grünbuch hat die Kommission in ihrer Mitteilung vom 3. Mai einen detaillierten Reformfahrplan festgelegt. Dieser sieht die Vorlage und Annahme der auf EU-Ebene erforderlichen Maßnahmen bis zum 1. Januar 1997 vor. Die zur Festsetzung des Reformprozesses auf nationaler Ebene zentralen Liberalisierungsschritte auf der Grundlage der Wettbewerbsregeln sind sogar noch vor dem 1. Januar 1996 vorgesehen. Sie werden durch flankierende Harmonisierungsmaßnahmen und eine allgemeine Reform des EG-Telekommunikationsrechts ergänzt, das insgesamt dem künftig vollständig liberalisierten Umfeld angepaßt werden muß. Vor allem mit der frühzeitigen Vorlage der Liberalisierungsmaßnahmen werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die nationale Regulierung in den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der gemeinschaftsrechtlichen Rahmenvorgaben so rechtzeitig angepaßt werden kann, daß spätestens zum 1. Januar 1998 auch tatsächlich Wettbewerb bei den Netzen und Diensten bestehen wird.

Im Einklang mit dem in der Mitteilung der Kommission zur Konsultation über das Infrastruktur- Grünbuch festgelegten Zeitplan hat die Kommission die Entwürfe für die zur schrittweisen Einführung von Wettbewerb erforderlichen Maßnahmen bereits vorgelegt. Es handelt sich um drei Ergänzungen der sogenannten Dienste-Richtlinie, der Kommissionsrichtlinie 90/388/EWG von 28. Juni 1990, in der die europaweite Öffnung aller Telekommunikationsdienste mit Ausnahme des Sprachtelefondienstes geregelt ist.[11] Diese Richtlinie, die im vergangenen Jahr bereits in bezug auf die Satellitenkommunikation ergänzt wurde,[12] bildete bereits bisher das Fundament der Liberalisierung des europäischen Telekommunikationssektors. Mit den drei vorgesehenen Ergänzungen im Hinblick auf Kabelfernsehnetze, auf Mobilkommunikation und schließlich auf die vollständige Liberalisierung wird die Dienste-Richtlinie auch über das Zieldatum 1. Januar 1998 hinaus ihre zentrale Rolle für die Telekommunikationspolitik in der Europäischen Union behalten.

a) Die Ergänzung der Dienste-Richtlinie in bezug auf Kabelfernsehnetze

Bereits im Dezember vergangenen Jahres hat die Kommission den Entwurf einer Richtlinie zur Ergänzung der Dienste-Richtlinie in bezug auf die Öffnung von Kabelfernsehnetzen für Telekommunikationsdienste vorgelegt.[13] Der Entwurf sieht vor, daß genehmigte Kabelfernsehnetze zum 1. Januar 1996 für die Erbringung von bereits liberalisierten Telekommunikationsdiensten geöffnet werden. Er verlangt zudem die Schaffung einer transparenten Rechnungslegung in den Fällen, in denen Kabelfernsehnetze auch für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten genutzt werden. Schließlich ist zum 1. Januar 1998 eine Überprüfung der Fälle vorgesehen, in denen, wie in der Bundesrepublik, Fernsehkabelnetze und öffentliches Telekommunikationsnetz von ein und demselben Unternehmen betrieben werden.

Der Richtlinienentwurf trifft dagegen keine Regelungen hinsichtlich der Genehmigung von Kabelfernsehnetzen noch hinsichtlich der Regulierung von über Kabelfernsehnetze erbrachten Rundfunkdiensten. Der Entwurf beinhaltet deshalb lediglich rein telekommunikationsrechtliche Bestimmungen.

Die Richtlinie soll zum einen bestehende Engpässe bei der Bereitstellung von Telekommunikationsnetzinfrastruktur lockern und zum anderen die Errichtung multimediafähiger hybrider Netze attraktiver machen. Von der Richtlinie werden deshalb auch Anreize zu einer beschleunigten Entwicklung und Erbringung von Multimedia-Diensten erwartet.

Der Richtlinienentwurf wurde im März dieses Jahres zur öffentlichen Konsultation im Amtsblatt der EG veröffentlicht. Im Rahmen der Konsultation wurde von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, daß das parallele Problem der Erbringung von Kabelfernsehkapazität über Telekommunikationsnetze in dem Richtlinienentwurf nicht geregelt wird. Insbesondere das Europäische Parlament sprach sich in seiner, im übrigen positiven, Stellungnahme zu dem Entwurf dafür aus, zusammen mit der Öffnung der Kabelfernsehnetze für Telekommunikationsdienste auch die Öffnung der Telekommunikationsnetze für die Bereitstellung von Kabelfernsehkapazität zu regeln.[14]

Im Hinblick auf diese Frage ist einerseits zu berücksichtigen, daß die Schaffung hybrid nutzbarer Infrastrukturen den Übergang zur Informationsgesellschaft begünstigt, andererseits muß aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Öffnung der öffentlichen Telekommunikationsnetze für Kabelfernsehdienste es den traditionellen Telekommunikationsorganisationen unter Umständen ermöglichen kann, ihre marktbeherrschende Stellung im Bereich der Telekommunikationsübertragungswege auf den Bereich der Kabelfernsehnetze auszudehnen.

Nach Abschluß der internen Meinungsbildung der Kommission über die aus der Konsultation zu ziehenden Schlußfolgerungen ist die endgültige Annahme der Richtlinie im Herbst zu erwarten.

b) Die Ergänzung der Dienste-Richtlinie in bezug auf Mobilkommunikation und persönliche Kommunikation

Am 21. Juni hat die Kommission den Entwurf einer weiteren Ergänzungsrichtlinie zur Dienste-Richtlinie im Hinblick auf Mobilkommunikation und persönliche Kommunikation vorgelegt.[15] Die Mobilkommunikation ist einer der Sektoren, von dem die stärksten innovativen Impulse für den Telekommunikationsmarkt ausgehen. Bereits in ihrem Grünbuch zur Mobilkommunikation aus dem vergangenen Jahr hat die Kommission dargelegt, daß die Entwicklung von persönlichen Kommunikationssystemen ein zentrales Element der künftigen Informationsgesellschaft sein wird.[16] Neben intelligenten Festnetzen werden digitale Funktechnologien das Rückgrat dieser neuen Kommunikationssysteme bilden.

Der Richtlinienentwurf sieht die Beseitigung von einer Reihe von Restriktionen vor, die die Entwicklung der Mobilkommunikationsmärkte zu Massenmärkten heute in Europa noch behindern. Er regelt die Aufhebung aller ausschließlichen und besonderen Rechte, welche die Mitgliedstaaten in bezug auf Mobilkommunikationssysteme gewähren. Bestehende Beschränkungen bei der Zusammenschaltung mit anderen mobilen und festen Netzen sollen aufgehoben werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, daß die Mitgliedstaaten die Errichtung eigener Netzinfrastruktur sowie die Nutzung der Netzinfrastruktur Dritter durch die Mobilfunkbetreiber uneingeschränkt zulassen müssen.

Der Richtlinienentwurf enthält ferner Bestimmungen über die Vergabe von DCS-1800- Lizenzen und Lizenzen nach dem DECT-Standard sowie zum Zugang zu den GSM- und DCSW-1800-Erweiterungsbändern, die sich wettbewerbs- und innovationsfördernd auswirken werden.

Mit der Veröffentlichung des Entwurfs der Richtlinie im Amtsblatt der EG am 1. August 1995 wurde eine öffentliche Konsultationsperiode von zwei Monaten eingeleitet. Der von der Kommission festgelegte Zeitplan sieht vor, daß die Richtlinie noch vor Ende des Jahres endgültig angenommen wird, damit sie, wie geplant, am 1. Januar 1996 in Kraft treten kann. Die Richtlinie wird europaweit klare Rahmenbedingungen und größere unternehmerische Freiräume für die Mobilnetzbetreiber schaffen und damit dem Wachstumsmarkt Mobilkommunikation wichtige neue Impulse geben.

c) Die Ergänzung der Dienste-Richtlinie zur Einführung vollständigen Wettbewerbs

Schließlich hat die Kommission am 19. Juli, also noch vor der Sommerpause, eine weitere Ergänzung der Dienste-Richtlinie vorgelegt, mit der die Rahmenbedingungen für die vollständige Liberalisierung, das heißt der Liberalisierung der öffentlichen Sprachtelefonie und der Telekommunikationsnetze, bis 1998 festgelegt wird.[17] In dieser Richtlinie werden auch die Anforderungen präzisiert, die aufgrund der EG-Wettbewerbsregeln bei der Ausgestaltung der Reformgesetze in den Mitgliedstaaten zu beachten sind. Die Richtlinie wird dabei helfen, die Reformdebatte in den Mitgliedstaaten zu strukturieren und die Diskussion auf die wesentlichen noch offenen Fragen, wie etwa die der Ausgestaltung der Einzelheiten eines Systems zur Finanzierung des öffentlichen Dienstes, zu konzentrieren.

Der im Juli vorgelegte Entwurf sieht weiterhin auch die Liberalisierung bereits bestehender Telekommunikationsinfrastruktur Dritter zum 1. Januar 1996 vor. Dieser Punkt war von der Kommission in ihren Schlußfolgerungen aus der Konsultation zum Infrastruktur-Grünbuch noch offengelassen worden. Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, daß die von der Kommission erhoffte Flexibilität bei der Behandlung von Einzelanträgen in den Mitgliedstaaten ausgeblieben ist, so daß ein Tätigwerden der Kommission erforderlich wurde.

Die Richtlinie zur Festlegung des gemeinschaftsrechtlichen Rahmens für das Zieldatum 1998 wird ebenfalls vor ihrer endgültigen Annahme durch die Kommission, die noch vor Ende dieses Jahres erfolgen soll, als Entwurf zur Konsultation publiziert werden.

Mit diesen Ergänzungen der Dienste-Richtlinie soll noch in diesem Jahr ein Koordinatensystem für die weitere Liberalisierung geschaffen werden, das dann durch nationale Gesetzgebung und ergänzende Harmonisierungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene ausgefüllt werden kann.

2. Flankierende Maßnahmen

Die schrittweise Öffnung der Telekommunikationsmärkte in der Europäischen Union durch die vorgesehenen Ergänzungen der Dienste-Richtlinie wird von einer Reihe flankierender Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene begleitet, die das Ziel haben, den Liberalisierungsprozeß abzustützen und unerwünschte Auswirkungen der Marktöffnung zu verhindern.

a) Universeller Dienst

Angesichts der ständig wachsenden Bedeutung des Zugangs zu Kommunikationsdiensten muß auch unter Wettbewerbsbedingungen sichergestellt sein, daß jeder Zugang zu einer Grundversorgung mit Telekommunikationsdiensten zu erschwinglichen Preisen erhält. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Definition und der Finanzierung eines universellen Dienstes im Bereich der Telekommunikation von entscheidender Bedeutung.

Das Infrastruktur-Grünbuch geht davon aus, und diese Position wurde auch in der Konsultation bestätigt, daß zur Zeit der Sprachtelefondienst den Kern des universellen Dienstes bildet, sich die Anforderungen jedoch mit dem Herannahen der Informationsgesellschaft auch ändern können. Die Kommission hält jedoch in jedem Falle eine enge Definition des universellen Dienstes für erforderlich, um keine unüberwindbaren Marktzutrittsschranken für neu in den Markt eintretende Unternehmen zu schaffen.

Hinsichtlich der Finanzierung des universellen Dienstes sieht die im Entwurf vorgelegte Richtlinie zur Einführung vollständigen Wettbewerbs vor, daß grundsätzlich alle Marktteilnehmer, die öffentlichen Sprachtelefondienst oder öffentliche Telekommunikationsnetze betreiben, zur Finanzierung und Bereitstellung des universellen Dienstes herangezogen werden können. Die Kommission legt insbesondere Wert darauf, daß die Finanzierung transparent, nichtdiskriminierend und entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgestaltet wird.

Die Kosten der Universaldienstverpflichtung sollte auf der Grundlage der einem Betreiber durch die Erfüllung von Universaldienstverpflichtungen entstehenden Nettokosten, insbesondere für die Bereitstellung von Telefondiensten in nicht einträglichen Gebieten oder für wirtschaftlich nicht interessante Kunden in sonstigen Gebieten, berechnet werden. Es wird Aufgabe der nationalen Regulierungsbehörden sein, die geeigneten Verfahren hierfür zu entwickeln. Bei der Berechnung der Kosten des universellen Dienstes darf nicht vergessen werden, daß auch ertragsschwächere Kunden einen Wert für ein privatisiertes Telekommunikationsunternehmen haben. Es dürfen nicht nur die von einem Anschluß abgehenden Gespräche betrachtet werden, sondern es muß auch berücksichtigt werden, daß jeder Anschluß auch dadurch, daß er angerufen werden kann, zusätzlichen Verkehr erzeugt. So können auch solche Anschlüsse für einen Betreiber wirtschaftlich interessant sein, von denen aus nur wenige oder keine Anrufe getätigt werden.

Die aus den EG-Wettbewerbsregeln folgenden Grundsätze der Finanzierung des universellen Dienstes sind in dem Richtlinienentwurf zur Einführung vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten konkretisiert. Der gemeinsam mit diesem Entwurf im Juli vorgelegte Vorschlag für eine ONP-Richtlinie über Zusammenschaltung legt darüber hinaus einen harmonisierten Rahmen für die Ausgestaltung der Finanzierungssysteme für den universellen Dienst in den Mitgliedstaaten fest.[18] Die Kommission prüft zur Zeit, ob darüber hinausgehende Maßnahmen im Bereich des universellen Dienstes auf Gemeinschaftsebene erforderlich sind, und wird Ende dieses Jahres oder Anfang des nächsten Jahres dazu in einer Mitteilung Stellung nehmen.

b) Zusammenschaltung und Interoperabilität

Ein weiteres Kernproblem im Zusammenhang mit der Liberalisierung ist die Regelung der Zusammenschaltung von Netzen und Diensten.

Während die vorgeschlagene Ergänzung der Dienste-Richtlinie zur Einführung vollen Wettbewerbs lediglich die wettbewerbsrechtlichen Grundsätze in bezug auf die Zusammenschaltung mit dem öffentlichen Telefonnetz der Telekommunikationsorganisationen spezifiziert, legt der bereits erwähnte Vorschlag für eine ONP-Richtlinie über Zusammenschaltung einen harmonisierten Rahmen für die auszuhandelnden Zusammenschaltungsbedingungen, die Entgelte sowie für die auf nationaler und europäischer Ebene zu schaffenden Schlichtungsmechanismen für öffentliche Telekommunikationsdienste und öffentliche Telekommunikationsnetze fest.

Nach der vorgeschlagenen ONP-Richtlinie sind die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung auf Zusammenschaltungsvereinbarungen anzuwenden. Grundsätzlich soll das Aushandeln der Zusammenschaltungsbedingungen jedoch Angelegenheit der betroffenen Unternehmen bleiben, wobei allerdings einige Bedingungen vorab von den nationalen Regulierungsbehörden festgelegt werden können.

Die vorgeschlagene ONP-Richtlinie wird das zentrale Element der spezifischen Regulierung im Bereich der Zusammenschaltung sein und einen der Kernpunkte der anstehenden ONP-Reform bilden. Allerdings kann eine solche ONP-Richtlinie die Anwendung des EG-Wettbewerbsrechts nur ergänzen, aber keinesfalls ersetzen. Deshalb wird auch zu prüfen sein, inwieweit es notwendig ist, das Verhältnis von ONP-Vorschriften und EG-Wettbewerbsrecht im Bereich Zusammenschaltung und Zugangsbedingungen durch besondere Maßnahmen klarzustellen, um mögliche Mißverständnisse zu vermeiden. Gleichzeitig könnte dabei auch untersucht werden, inwieweit die Anwendung der Wettbewerbsregeln in diesem Bereich effizienter und einfacher gestaltet werden kann.

c) Lizenzierung

Die entscheidenden Fragen in diesem Bereich lauten: Wie werden Telekomnetze lizenziert? Welche Beschränkungen können im Hinblick auf die Zahl der zu erteilenden Lizenzen gerechtfertigt werden? Welche Lizenzbedingungen dürfen auferlegt werden?

Die Kommission vertritt die Auffassung, daß die Zahl der zu vergebenden Lizenzen für Infrastrukturanbieter und Diensteanbieter, und zwar einschließlich der Anbieter von Telefondiensten, nur aus Gründen, die mit grundlegenden Anforderungen gerechtfertigt werden können, eingeschränkt werden dürfen. Einschränkungen sind deshalb in erster Linie aus Gründen der Frequenzknappheit zulässig.

Hinsichtlich der Frage, welche Linzenzbedingungen Infrastrukturanbietern zulässigerweise auferlegt werden können, ist zwischen privater und öffentlicher Telekommunikationsinfrastruktur zu unterscheiden. Unter öffentlicher Telekommunikationsinfrastruktur ist in diesem Zusammenhang solche Infrastruktur zu verstehen, die für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten für die Öffentlichkeit genutzt werden. Der Begriff der privaten Infrastruktur erfaßt dagegen solche Infrastruktur, die nicht für öffentliche Telekommunikationsdienste genutzt wird.

Im Fall von privater Telekommunikationsinfrastruktur sollten Bedingungen nur zum Schutz der Einhaltung der grundlegenden Anforderungen (wie etwa der Verfügbarkeit von Frequenzen) auferlegt werden dürfen. Bei öffentlicher Telekommunikationsinfrastruktur sollten zusätzlich noch Pflichten für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen in Form von gewerblichen Vorschriften, d. h. Regeln bezüglich der Qualität, Verfügbarkeit und Dauer von Telekommunikationsdiensten, die über lizenzierte Telekommunikationsinfrastruktur zur Verfügung gestellt werden, einbezogen werden können.

Sowohl hinsichtlich der Lizenzierungsverfahren als auch hinsichtlich der Lizenzierungsbedingungen ist die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips von entscheidender Bedeutung: Es muß vermieden werden, daß "mit Kanonen auf Spatzen geschossen" wird. Wenn mehrere wirksame Methoden zur Verfügung stehen, darf nur das den Lizenznehmer am wenigsten belastende Mittel gewählt werden. So sollte deshalb der Erteilung von Allgemeingenehmigungen oder "class licences" in allen Fällen der Vorzug gegeben werden, in denen eine individuelle Prüfung und Genehmigung eines Antrags nicht erforderlich ist.

Ähnlich wie für die Fragen der Finanzierung des universellen Dienstes und der Zusammenschaltung sind auch die für die Lizenzierung von Telekommunikationsnetzen und -diensten bestehenden Anforderungen des EG-Wettbewerbsrechts in den Entwürfen für eine Ergänzung der Dienste-Richtlinie im Bereich der Mobilkommunikation und im Hinblick auf die volle Liberalisierung präzisiert. Darüber hinaus wird die Kommission jedoch in Kürze noch einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Lizenzierungsverfahren der Mitgliedstaaten vorlegen, der an die Stelle der beiden bereits vorgelegten Vorschläge zur gegenseitigen Anerkennung von Telekommunikations- und Satellitenlizenzen treten wird.[19]

d) Wettbewerbspolitik

Die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages sind für die Schaffung eines neuen ordnungspolitischen Rahmens in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung:

Zum einen sind sie ein zentrales Instrument zur Öffnung des Marktes für neue Teilnehmer. Die Kommission hat die Wettbewerbsregeln mit großem Erfolg zur schrittweisen Liberalisierung des Telekomsektors eingesetzt und wird jetzt die vollständige Öffnung des Telekommunikationssektors mit den vorgeschlagenen Ergänzungen der Dienste-Richtlinie auf der Grundlage der Wettbewerbsregeln vollenden.

Zum anderen gewinnen die Wettbewerbsregeln in einem liberalisierten Umfeld auch zunehmend an Bedeutung im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiven und fairen Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern. Die weitere Öffnung des Telekommunikationssektors, aber auch die fortschreitende technische Entwicklung wird in den nächsten Jahren zu einer vollständigen Neustrukturierung der Märkte führen. Dieser Prozeß, der bereits begonnen hat, sich in den kommenden Jahren aber noch weiter verstärken wird, führt unvermeidbar dazu, daß die Wettbewerbsaufsicht auf nationaler Ebene, vor allem aber auch auf Gemeinschaftsebene stark an Gewicht gewinnen wird.

Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die Bildung von strategischen Allianzen, die zunächst allein unter den traditionellen Telekommunikationsbetreibern geschlossen wurden (z. B. BT/MCI, Atlas, Phoenix, Unisource), heute aber zunehmend auch unter Beteiligung von neuen Marktteilnehmern geschlossen werden (Beispiele auf dem deutschen Markt sind VEBA/Cable and Wireless oder VIAG/BT). Eine erste Entscheidung der Kommission betreffend solche Allianzen erging im Hinblick auf die Kooperation zwischen BT und MCI, welche die Kommission im vergangenen Jahr unter Auflagen genehmigte. [20] Diese Entscheidung fiel vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die Heimatmärkte der beiden Betreiber bereits weitgehend liberalisiert sind, und die Kooperation überdies auf eine Tätigkeit auf einem globalen Markt abzielt.

Die Bildung von Allianzen bleibt allerdings nicht auf Unternehmen aus dem Telekommunikationssektor beschränkt. Im Vorfeld der Informationsgesellschaft werden jetzt auch immer häufiger joint ventures mit Beteiligten aus anderen Sektoren der Informations- und Kommunikationsindustrie, wie etwa der Film- und Verlagsindustrie, aber auch Softwareunternehmen, gegründet, um auf den neu entstehenden Kommunikationsmärkten tätig zu werden. In den vergangenen Monaten mußte die Kommission auf der Grundlage der Fusionskontrollverordnung zwei solcher joint ventures untersagen. Im vergangenen Jahr untersagte die Kommission in der Sache Mediaservice GmbH das geplante joint venture zwischen Deutscher Telekom, Bertelsmann und der Kirch-Gruppe, da es die marktbeherrschende Stellung der beteiligten Unternehmen in den gerade erst entstehenden pay-TV-Markt hinein verlängert hätte.[21] Im Juli untersagte die Kommission die Gründung des joint ventures Nordic Satellite Distribution (NSD) zwischen Norsk Telekom, TeleDanmark und Kinnevik, insbesondere da dieses joint venture den beteiligten Unternehmen eine Marktstellung verschafft hätte, die es ihnen ermöglicht hätte, den skandinavischen Markt für Satellitenfernsehen gegen Mitbewerber abzuschotten.[22] Die bisher getroffenen Entscheidungen liefern erste Elemente für die Entwicklung klarer Maßstäbe zur kartellrechtlichen Beurteilung solcher Kooperation. Eine Reihe weiterer Fälle wird jedoch noch zu prüfen sein, bevor ein klares Bild entstehen kann.

Ein weiterer Bereich, der die Kommission auch in Zukunft beschäftigen wird, ist die wettbewerbsrechtliche Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen im Telekommunikationssektor. Trotz der vollständigen Liberalisierung des Sektors bis zum Jahre 1998 werden die traditionellen Telekommunikationsbetreiber noch lange über diesen Zeitpunkt hinaus eine marktbeherrschende Stellung auf zahlreichen Märkten des Telekommunikationssektors haben. Es besteht die Gefahr, daß mit dem zunehmenden Wettbewerb auch die Versuchung wächst, diese Marktposition zu mißbrauchen. Die Kommission wird darüber wachen müssen, daß die Telekommunikationsbetreiber dieser Versuchung nicht erliegen.

Die zunehmende Zahl von Einzelfällen wird nur bei einer engen und effizienten Zusammenarbeit zwischen Kommission und nationalen Wettbewerbsbehörden sowie zwischen Kommission und nationalen Telekommunikationsregulierungsbehörden, aber auch der nationalen Wettbewerbs- und Telekommunikationsregulierungsbehörden untereinander zu bewältigen sein.

e) Datenschutz

Auch die Gewährleistung eines hinreichenden Schutzniveaus in bezug auf persönliche Daten und die Privatsphäre ist eine wesentliche Rahmenbedingung für den Übergang in die europäische Informationsgesellschaft. Nur wenn ein ausreichender Datenschutz sichergestellt ist und die Benutzer nicht befürchten müssen, daß ihre persönliche Daten mißbraucht werden könnten, werden die neuen Informations- und Kommunikationsdienste die Akzeptanz der Verbraucher finden.

Nachdem die allgemeine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Datenschutz am 24. Juli im Grundsatz angenommen wurde, ist jetzt der Weg frei für die Beratung der bereichsspezifischen Datenschutz-Richtlinie für Telekommunikationsnetze und -dienste, für die die Kommission im vergangenen Jahr einen geänderten Vorschlag vorgelegt hat,[23] durch den EG-Ministerrat. Diese Richtlinie geht allerdings noch vom Fortbestehen besonderer und ausschließlicher Rechte der Telekommunikationsorganisationen aus und muß deshalb im Rahmen des weiteren Rechtsetzungsverfahrens an die Bedingungen einer vollständigen Liberalisierung angepaßt werden.

f) Die internationale Dimension: Wie kann Europa vergleichbaren und effektiven Zugang zu globalen Märkten sichern?

Im Rahmen der Welthandelsorganisation haben inzwischen die Verhandlungen über eine Liberalisierung der sogenannten Basistelekommunikationsdienste (u. a. Telefondienst, Datendienste, einfacher Wiederverkauf von Übertragungskapazität) begonnen.

Die politische Entscheidung des Rates vom 17. November 1994, die ordnungspolitisch eindeutigen Positionen des Infrastruktur-Grünbuchs sowie die jetzt vorliegenden Richtlinienentwürfe setzen für die Handelspartner der Europäischen Union klare Signale der Entschlossenheit zur konsequenten Liberalisierung. Damit wird die europäische Verhandlungsposition in internationalen Verhandlungen, insbesondere im Rahmen von WTO/GATS, erleichtert. Auch die Forderung nach einem chancengleichen Zugang europäischer Unternehmen zum US-amerikanischen Markt gewinnt vor dem Hintergrund eines festen Liberalisierungsfahrplans für die Union an Gewicht.

g) Die soziale und beschäftigungspolitische Dimension

Der sozialen und beschäftigungspolitischen Dimension der Vorbereitung auf die Informationsgesellschaft hat die Kommission im zweiten Teil ihres Infrastruktur-Grünbuchs breiten Raum gewidmet. Nach Auffassung der Kommission dürfen die Beschäftigungswirkungen der Liberalisierung nicht isoliert im Telekommunikationssektor betrachtet werden. Das entscheidende und übergeordnete Argument für die Liberalisierung der Telekommunikation ist, daß sie zu einer größeren Effizienz im Informationssektor im allgemeinen und zu einer wichtigen Standortverbesserung für die europäische Wirtschaft insgesamt führt. Sie soll damit einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit in allen Bereichen der europäischen Industrie leisten. Im Grünbuch wird aber zugleich hervorgehoben, daß die ordnungspolitische Reform von Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene, vor allem aber auch auf Ebene der Mitgliedstaaten, etwa in den Bereichen, Aus-, Fort- und Weiterbildung, begleitet sein muß, die den Strukturwandel abstützen.

III. Maßnahmen der Kommission in anderen Bereichen

Auch wenn die Telekommunikationspolitik zur Zeit im Mittelpunkt der Initiative der Kommission zur Informationsgesellschaft steht, ergreift die Kommission jedoch auch in anderen Bereichen Maßnahmen zur Vorbereitung eines neuen ordnungspolitischen Rahmens im Hinblick auf die entstehende Informationsgesellschaft. Ich möchte hier nur auf zwei weitere Bereiche kurz hinweisen: den Urheberrechtsschutz und die audiovisuellen Medien.

1. Urheberrechtsschutz

Urheberrechte sind durch neue Technologien und insbesondere die Digitalisierung künftig bisher unbekannten Gefährdungen ausgesetzt. Ein wirksamer Urheberrechtsschutz ist jedoch andererseits eine der Grundbedingungen dafür, daß Informationsinhalte für die neue Dienstleistungen auf dem elektronischen Superhighway zur Verfügung gestellt werden.

Die Kommission hat die Problematik jetzt in einem Grünbuch zu "Urheberrecht und verwandten Schutzrechten in der Informationsgesellschaft" aufbereitet, das am 19. Juli 1995 vorgelegt wurde.[24] Das Grünbuch enthält einen umfassenden Fragenkatalog, über den die interessierten Kreise konsultiert werden. Auf der Grundlage dieser Konsultation wird die Kommission dann über ihr künftiges Arbeitsprogramm in diesem Bereich entscheiden.

2. audiovisuelle Medien

Auch im Bereich der audiovisuellen Medien hat die Gemeinschaft wichtige ordnungspolitische Bausteine für einen neuen Regulierungsrahmen vorgelegt. So hat die Kommission im März einen Vorschlag zur Reform der Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" vorgelegt, [25] mit der einige strittige Fragen geklärt werden sollen und insbesondere das Teleshopping weitgehend liberalisiert wird. Andere fortgeschrittene audiovisuelle Dienste sind jedoch ausdrücklich ausgeklammert worden. Sie sollen zum Gegenstand eines Grünbuchs über neue audiovisuelle Dienste gemacht werden, das die Kommission im kommenden Jahr vorlegen wird.

IV. Schlußbemerkung

Das Leben in den Industriegesellschaften wird durch neue digitale Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten künftig stark geprägt werden. Ihre Einführung in Europa eröffnet nach der Überzeugung der Kommission die Chance zur Erreichung zahlreicher positiver Effekte, die weit über die genannten Sektoren hinausreichen.

Die ordnungspolitischen Initiativen der Gemeinschaft zielen darauf ab, diese Chance zu nutzen und das Entstehen eines neuen dynamischen Wirtschaftszweigs in Europa kontrolliert zu ermöglichen.

Marcel Haag, Europäische Kommission, Generaldirektion IV - Wettbewerb, Abteilung "Telekommunikation, Koordinierung Informationsgesellschaft".

* Der Beitrag stellt eine persönliche Meinungsäußerung dar und bindet nur den Verfasser.

1 Europäische Kommission, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung - Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert, Weißbuch, KOM (93) 700 endg., 5. 12. 83 = Bull. EG, Beil. 6/93.

2 Europa und die globale Informationsgesellschaft, Empfehlungen an den Europäischen Rat, Brüssel, 26. Mai 1994 (sog. Bangemann-Bericht).

3 Europas Weg in die Informationsgesellschaft - Ein Aktionsplan, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament sowie an den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen, KOM (94) 347 endg., 19. 07. 94.

4 Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze, Teil I: Grundsätze und Zeitrahmen, KOM (94) 440 endg., 25. 12. 94; Teil II: Ein gemeinsames Konzept zur Bereitstellung einer Infrastruktur für Telekommunikation in der Europäischen Union, KOM (94) 682 endg., 25. 01. 95.

5 Konsultation zum Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, KOM (95) 158 endg., 03. 05. 95.

6 Mitteilung über die Prüfung der Lage im Bereich der Telekommunikationsdienste (1992), SEK (92) 1048 endg., 21. 10. 92; Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament über die Konsultation zur Lage im Bereich der Telekommunikationsdienste, KOM (93) 158 endg., 28. 04. 93.

7 Entschließung des Rates vom 22. Juli 1993 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich, ABl. Nr. C 213, 06. 08. 93, S. 1.

8 Vgl. insbesondere das Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze, Teil I, S. 22-29.

9 Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze, Teil I, S. 40 f.

10 Vgl. Entschließung des Rates vom 22. Dezember 1994 über die Grundsätze und den Zeitplan für die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen, ABl. Nr. C 379, 31. 12. 94, S. 4.

11 Richtlinie der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf den Märkten für Telekommunikationsdienste (90/388/EWG), ABl. Nr. L 192, 24. 07. 90, S. 10.

12 Richtlinie 94/46/EG der Kommission vom 13. Oktober 1994 zur Änderung der Richtlinien 88/301/EWG und 90/388/EWG, insbesondere betreffend die Satelliten-Kommunikation, ABl. Nr. L 268, 19. 10. 94, S. 15.

13 Entwurf einer Richtlinie der Kommission zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG betreffend die Aufhebung der Einschränkung bei der Nutzung von Kabelfernsehnetzen für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten, ABl. Nr. C 76, 28. 03. 95, S. 8.

14 ABl. Nr. C 166, 03. 07. 95, S. 109.

15 Entwurf einer Richtlinie der Kommission zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG betreffend die mobile Kommunikation und Personal Communications, ABl. Nr. C 197, 01. 08. 95, S. 5.

16 Grünbuch über ein gemeinsames Konzept für Mobilkommunikation und Personal Communications in der Europäischen Union, KOM (94) 145 endg., 27. 04. 94.

17 Entwurf - Richtlinie der Kommission zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG über die Einführung vollständigen Wettbewerbs auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, ABl. Nr. C 263, 10. 10. 95, S. 6.

18 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation zur Gewährleistung des Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP), KOM (95) 379 endg., 19. 07. 95.

19 ABl. Nr. C 36, 04. 02. 94; ABl. C 108, 16. 04. 94.

20 Entscheidung vom 27. 07. 1994, ABl. Nr. L 223, 27. 08. 94, S. 36.

21 Entscheidung vom 9. November 1994, ABl. Nr. L 364, 31. 12. 94, S. 1.

22 Pressemitteilung IP/95/801, 19. 07. 95.

23 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre in digitalen Telekommunikationsnetzen, insbesondere im diensteintegrierenden digitalen Telekommunikationsnetze (ISDN) und digitalen Mobilfunknetzen, KOM (94) 128 endg., 13. 06. 94.

24 KOM (95) 382, 19. 07. 95.

25 KOM (95) 86, 22. 03. 95.

Zuletzt geΣndert:
am 08.02.97

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